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01.06.06
EILMELDUNG: "Freiwillige" Arbeitslosenversicherung fuer Selbstaendige wird massiv eingeschraenkt |
(ueberbrueckungsgeld.de) Seit 1. Februar diesen Jahres gibt es für Selbständige die Möglichkeit, sich freiwillig gegen Arbeitslosigkeit zu versichern. Am heutigen Donnerstag, nur vier Monate nach Einführung, will die Regierungskoalition ihr eigenes Gesetz schon wieder reformieren – und zwar im Schnellverfahren, völlig überraschend für die Öffentlichkeit. Der zuständige Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die entsprechenden Passagen offenbar erst in letzter Minute in das Gesetz hineingeschrieben, was zum Auszug der Fraktion Die Linken aus dem Ausschuss führte.
Wie N24 meldet sehen die Pläne vor, dass sich nur noch jene Selbständigen freiwillig versichern können, die ihre Tätigkeit nach dem 1. Januar 2004 aufgenommen haben. Der entsprechende Gesetzentwurf soll am Donnerstag in dritter Lesung vom Parlament verabschiedet werden und ist im so genannten Fortentwicklungsgesetz zu den Hartz IV genannten Arbeitsmarktreformen enthalten, das auch die Nachfolge von Ich-AG und Überbrückungsgeld regelt.
Wie der Sender weiter berichtet hätte ein entsprechender Beschluss durch den Bundestag zur Folge, dass Antragsteller ihren Antrag noch vor der dritten Lesung im Bundestag (die am Donnerstag, 1.6. stattfindet) bei der Arbeitsagentur abgegeben haben müssen. Das Gesetz soll nämlich rückwirkend, am Tag vor der letzten Lesung in Kraft treten. Die Gesetzesänderungen sind aber erst in der Nacht zum Donnerstag bekannt geworden, so dass eine Reaktion demnach nicht möglich erscheint.
In der Vergangenheit hat es heftige Kritik an der "freiwilligen Arbeitslosenversicherung" gegeben. ueberbrueckungsgeld.de hatte bereits im Februar 2006 auf die erheblichen Missbrauchsgefahren hingewiesen, die dazu führen, dass "normale" Beitragszahler mittelfristig mit einer starken Erhöung der Beiträge rechnen müssen. Wir hatten auch benannt, welche Gruppen in besonderem Maß von der neuen Gründungsförderung profitieren werden bzw. wo die Mißbrauchsgefahr am größten ist (http://www.ueberbrueckungsgeld.de/blog/sozialversicherung/index.shtml).
Am 17. Mai hatte dann das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) festgestellt, die freiwillige Arbeitslosenversicherung bringe "ein ökonomisch nicht zu rechtfertigendes Missverhältnis zwischen geringen Beiträgen und großzügigen Leistungen mit sich". Extrembeispiel der Wirtschaftsforscher: Ein Selbständiger könne freiwillig zwölf Monate in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, so einen Arbeitslosengeld I-Anspruch erwerben und sich dann auf Kosten der Arbeitsagentur einen sechsmonatigen Urlaub gönnen. Dass der Arbeitslose in dieser Zeit eigentlich der Arbeitsagentur zur Vermittlung zur Verfügung stehen muss "dürfte in der Praxis kein großes Hindernis darstellen", schrieb das IW.
Wer ist betroffen?
Betroffen sind Selbständige, die vor dem 1.1.2004 gegründet haben. Eigentlich sollten Sie noch bis 31.12.2006 Zeit haben, sich für die freiwillige Versicherung zu entscheiden. Jetzt ist es wohl zu spät.
Existenzgründer, die sich ab dem 1.1.2004 selbständig gemacht haben, hätten demnach weiter die Möglichkeit freiwillig in der Arbeitslosenversicherung Pflichtmitglied zu werden.
Insbesondere können auch alle Gründer, die ab der zweiten Jahreshälfte 2006 mithilfe des neuen Gründungszuschusses gründen, sich weiterhin freiwillig arbeitslosenversichern. Für diese Gruppe ist die freiwillige Arbeitslosenversicherung deshalb interessant, weil der bei Gründung bestehende Arbeitslosengeld I-Anspruch mit der Gründungsförderung verrechnet wird. Eine Absicherung gegen ein Scheitern also nur durch den Aufbau eines neuen Anspruchs möglich ist (vgl. http://www.ueberbrueckungsgeld.de/blog/2006/05/verrechnung_von.shtml#more).
Unsere Meinung
Ob die geplante massive Einschränkung wirksam Mißbrauch verhindern wird, darf bezweifelt werden. Um eine Umgehung der Regelung zum Beispiel durch eine zeitweise Abmeldung der Selbständigkeit zu verhindern, wird der bürokratische Aufwand bei der Prüfung der Aufnahme noch weiter zunehmen. Der Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung wird künftig noch willkürlicher geregelt sein, als dies ohnehin schon der Fall ist. Auch wenn viele unserer Leser sicherlich von einer Mitgliedschaft profitieren können - aus unserer Sicht ist die freiwillige Arbeitslosenversicherung auf Dauer nicht haltbar, da nicht systemkonform. Früher oder später wird man sie entweder ganz abschaffen (das Gesetz ist ohnehin zeitlich befristet) oder möglichst viele Selbständige zur Mitgliedschaft zwingen – wir haben ja bereits mehrfach hiervor gewarnt. (Eine entsprechende Diskussion findet übrigens gerade in Österreich statt, wo die DGB-Schwesterorganisation ÖGB auch die Einführung der Arbeitslosenversicherung für Selbständige fordert.)
Verfasst von Andreas Lutz am 01.06.06 01:45 Uhr - gelesen ... und sofort hieher kopiert! mesan
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