Sonntag, 31. Dezember 2006

Angetreten, um Politik zu machen - besser?

Etwas Besseres als die Fusion - Ein Vorschlag für die Aktivisten der Berliner WASG PDF Drucken E-Mail
von Sebastian Gerhardt, Mary Killian, Roland Klautke, Michael Mäde, Susanne Rohland, u.a. , 30.12.2006 - bisherige Aufrufe: 263*

politische_alternative.jpgEs gibt Situationen, in denen fällt die Wahl ganz leicht. So antwortet im Märchen von den Bremer Stadtmusikanten der Esel auf die Klage des Hahns: "Komm mit uns. Etwas besseres als den Tod finden wir überall." Und der Hahn schloß sich ihnen an und die Geschichte fand ein glückliches Ende.

Aber nicht immer ist die Alternative so klar. Seit dem 17. September verharrt die Mehrheit der Berliner WASG, die den eigenständigen Antritt erstritten und den Wahlkampf geführt hat, in Untätigkeit. Weder in der Defensive noch in der Offensive sind wir handlungsfähig. Die Operation "Weihnachtsgans" war ein Lebenszeichen, aber keine nachhaltige politische Praxis. So notwendig und alternativlos unser Wahlantritt war, so wenig ist das Ergebnis von 40 000 Zweitstimmen ein Auftrag zum "einfach weitermachen". Ganz abgesehen davon ist eine Fortsetzung unserer Aktivität auf dem Niveau der letzten anderthalb Jahre nicht durchzuhalten. Wir werden für unsere politische Arbeit nicht bezahlt und haben noch ein Leben außerhalb der Partei. Angesichts der sicheren Perspektive einer Fusion zwischen WASG und L.PDS zu den Bedingungen der L.PDS, einschließlich eines Freibriefs für ihre Regierungsbeteiligungen, stellen sich viele die Frage, was für einen Sinn die Anstrengungen und Auseinandersetzungen um die weitere Arbeit haben. Es reicht in dieser Situation nicht, die Fusion mit vielen guten Gründen zu kritisieren, wie wir es schon oft getan haben. Es reicht auch nicht, einfach irgendetwas anderes zu wollen. Es muß schon besser sein als die Fusion, die uns da geboten wird. Eine einfache Fortführung des Landesverbandes wird es nicht geben - sie ist weder juristisch noch politisch möglich.

Was aber das "Bessere" sein soll, darauf gibt es ganz unterschiedliche Antworten. Nicht immer antworten die gleichen Leute auf die gleiche Weise. Sicher ist, daß wir eine gemeinsame Geschichte haben. Sicher ist, daß wir bis heute gemeinsame Positionen haben: Wir wollen eine ernst zu nehmende Kraft der linken, der sozialen Opposition in Berlin. Fraglich sind die Gemeinsamkeiten unserer politischen Zukunft.

Variante 1. Alle ziehen nach Rixdorf: Eine Strömung in der neuen Linken?

Auch die Initiative Rixdorf will nicht einfach in der L.PDS untergehen. Sie hat jedoch von Anfang an vertreten, daß wir nur nach Maßgabe des Kooperationsabkommens III Einfluß auf die Bildung der neuen Partei nehmen können. Nun haben ihre Interventionsversuche weder im Wahlprogramm noch in der Regierungsbeteiligung der L.PDS Spuren hinterlassen. Aber sie haben die normative Kraft des Faktischen auf ihrer Seite: Es wird nur eine solche Linkspartei geben, die mit den Ost- Landesverbänden (und Landtagsfraktionen) der L.PDS kompatibel ist. Und wenn die neue Partei fertig ist, dann will man alles ausdiskutieren. 

Diese Grundhaltung, die allen Entscheidungen des Bundesvorstandes und der Bundesparteitage der WASG zugrunde lag, wird inzwischen von vielen offenen Kritikern der autoritären Parteiformierung im gesamten Bundesgebiet geteilt. Mehrheitlich werden sie in die neue Partei eintreten, weil es lokal keine sinnvolle Alternative zur Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der L.PDS gibt. Es existiert keine Basis für die Bildung einer handlungsfähigen neuen Organisation auf Bundesebene. Statt dessen orientieren viele Linke auf die Bildung mehrerer starker antikapitalistischer/sozialistischer Strömungen in der neuen Partei.

Allerdings gibt es ein Problem, an dem bisher alle linken Kritiker in der PDS gescheitert sind: Keiner Strömung ist es gelungen, neben der ideologischen Polemik eine entsprechende Praxis aufzubauen. Organisatorisch sind sie über die Rolle nörgelnder Trittbrettfahrer nicht hinausgekommen. Eine wirklich antikapitalistische Linke müßte sich neben der Behauptung in den innerparteilichen Hahnenkämpfen - schwer genug, angesichts des fortgeschriebenen Übergewichtes des hauptamtlichen Apparates der Fraktionen aller Ebenen - auch noch als nach außen aktionsfähige politische Organisation bewähren. Diese doppelte Aufgabe halten wir für unlösbar. Wer in die neue Linkspartei geht, macht es sich nicht leichter im Aufbau einer sozialen Opposition, sondern schwerer. Wer sich aber dabei - wie die "Antikapitalistische Linke" schon heute - in die Fußstapfen von Oskar Lafontaine begibt und bloße Rhetorik als höchste Form des Klassenkampfes praktiziert, der gehört nicht mehr zur sozialen Opposition und hat für seine vorhersehbaren Niederlagen kein Mitleid verdient.

Variante 2. Vorwärts immer, rückwärts nimmer! Eine Regionalpartei für Berlin

Spiegelverkehrt zur Parteifixierung der Rixdorfer versuchen andere, gegen die Parteifusion von oben das WASG-Konzept in einer Regionalpartei neu aufzulegen. Dieser Versuch wird jedoch  an denselben Widersprüchen leiden wie die WASG bei ihrer Gründung - nur ohne die Aufbruchsstimmung der damaligen Situation. Statt Kräfte für die Behauptung gegen die Angriffe von oben freizusetzen, wird eine solche Neugründung ihre Aktivisten in Kämpfe um die formale, bürokratische Behauptung des Parteienstatus zwingen.

Nun sagen manche, den Begriff der Partei könne man doch ganz unterschiedlich verwenden. Im eigenen Wohnzimmer stimmt das zweifellos. Im öffentlichen Leben dieses Landes heißt aber "Partei", daß eine Organisation sich durch die Beteiligung an Wahlen an der politischen Willensbildung beteiligt. Der große Enthusiasmus bei der WASG-Gründung ging entscheidend auf ihre parlamentarische Orientierung, ihre Gründung als "Wahlalternative" zurück. Aber Wahlbeteiligungen sind nicht das einzige Mittel der politischen Arbeit. Nach unserem Erfolg vom 17. September wäre zumindest ein Nachdenken darüber fällig, ob sie für uns immer das beste Mittel sind. In den nächsten Jahren stehen in Berlin zudem keine Wahlen an - und momentan hätten wir keine Chance, ein besseres Resultat zu erreichen. Ohne daß wir uns in der außerparlamentarischen Arbeit Anerkennung verdienen und ein politisches Umfeld schaffen, ist noch in fünf oder zehn Jahren nicht an ein besseres Abschneiden zu denken. Ohne eine solche Basis für unsere Politik ist ein parlamentarischer Anspruch nicht glaubwürdig.

Einige Kollegen legen trotzdem großen Wert auf die Behauptung unseres Platzes in der parteipolitischen Konkurrenz. Sie sehen etwa einen bloßen Verein als "Rückzug", "zu defensiv" und in dem Anspruch auf Wahlteilnahme die klare Abgrenzung von der neuen Linkspartei. Uns Abgrenzen und Bündnisse schließen müssen wir aber in der praktischen Arbeit. Alles andere wäre ein Weg in eine freiwillige Isolation. Und aus der Defensive kommt man mit noch so radikalen Pressemitteilungen nicht heraus. Eine Alternative zum Fusionsprojekt einer vereinheitlichten Linken sollte in der Realität, und nicht nur auf dem Papier besser aussehen. Deshalb halten wir den Weg einer Regionalpartei für falsch.

Variante 3. Lieber weniger, aber besser: ein wirklich politischer Verein

Die Bildung der Berliner WASG war zumindest unter einem Gesichtspunkt ein Quantensprung in der Geschichte sozialer und solidarischer Protestbewegungen in der Stadt: Erstmals seit Jahren gelang eine organisatorische Verankerung in allen Bezirken. Daran können wir anknüpfen, wenn wir unsere Möglichkeiten ausbauen, statt uns mit übersteigerten Ansprüchen zu ruinieren. Schließlich sind die Schwächen der WASG Berlin nicht nur hausgemacht, sondern in vielem ein Spiegel einer gesellschaftlichen Gesamtlage, in der die wenigen Abwehrkämpfe von abhängig Beschäftigten wie Erwerbslosen immer wieder isoliert geblieben sind. Allein aus eigener Kraft werden wir das nicht ändern können. Aber wir müssen nicht allein bleiben. Es gibt Bündnispartner, wenn wir unsere Stärken einsetzen.

1) Keine andere Organisation versucht heute noch, Hartz IV politisch zu bekämpfen. Die Sozialproteste sind auf symbolische Aktionsformen zurückgeworfen. Den Platz vor den Jobcenter haben die Parteien, aber auch die Gewerkschaften praktisch geräumt: Wer kämpft heute noch für eine Erhöhung des Regelsatzes? Um aber langfristig Widerstand zu leisten, müssen wir uns selbst und die Betroffenen qualifizieren und organisieren.

2) Hartz IV hat den Niedriglohnsektor massiv erweitert und in steigendem Ausmaß prekäre Selbständigkeit hervorgebracht. In beiden Bereichen greifen die herkömmlichen gewerkschaftlichen Vertretungsformen nicht. Neue Organisations- und Widerstandsformen müssen politisch ausprobiert werden.

3) Angesichts einer zunehmend liberalen "Linken" und der politischen Vereinzelung der abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen gewinnen rechte, nationalistische und autoritäre Antworten auf die soziale Frage immer mehr Zustimmung. Über die Konfrontation mit den faschistischen Organisationen hinaus müssen diese sozial isoliert werden. Die Antifa kann das allein gar nicht anfangen, aber wir können gemeinsam daran arbeiten.

4) Strategische Projekte der neoliberalen Stadtpolitik brauchen eine organisierte stadtpolitische Opposition, egal ob es um die Privatisierung der Sparkasse oder die Einführung von Studienkonten geht. Schon heute richten sich in diesem Bereich mehr Hoffnungen auf uns, als wir erfüllen können (Antiprivatisierungsbündnis, Sparkasse). Hier müssen wir hier einen Schwerpunkt für eine langfristige, nicht nur kampagnentechnische Arbeit setzen.

5) Eine letzte Frage geht momentan eindeutig über unsere Kraft, ist aber für die Zukunft einer sozial verankerten Linken zentral: Die Migranten in Berlin sind von der sozialen Entwicklung wie von der politischen Willensbildung (Wahlrecht!) klar abgekoppelt. Und der Platz, den die Linke geräumt hat, wird auch hier mit autoritären und nationalistischen Praktiken gefüllt. Ohne Aussicht auf kurzfristige Erfolge müssen wir versuchen, solidarische Alternativen des Widerstands zu entwickeln.

Diese Problemfelder sind miteinander verbunden. Deshalb sollten wir versuchen, unsere Arbeit auf diesen Felder abzustimmen, voneinander zu lernen und uns gegenseitig zu unterstützen. Dafür brauchen wir eine berlinweite Organisation mit Bezirksgruppen, einer demokratischen  Willensbildung, einem arbeitsfähigen Landesvorstand und Finanzen. Dafür brauchen wir ein Minimum an inhaltlicher Übereinstimmung, eine gemeinsame linke antikapitalistische Position. Vor allem aber braucht es dazu aktive Mitglieder - aus der WASG und viele neue, z.B. aus der gewerkschaftlichen Linken und sozialen Protestbewegungen, die wir im Wahlkampf nicht erreicht haben. Deshalb muß der Verein für neue Leute offen sein. Offen für alle, die unsere Mühen mit uns teilen wollen, auch für Mitglieder der neuen Linkspartei. Wer nur die Parteigeschichte der Berliner WASG fortführen will, wird keine attraktive Alternative zur Gysi-Lafontaineschen Linken aufbauen können.

Wenn wir heute damit beginnen, eine neue Organisation zu planen, dann kann sie das Brauchbare aus den Erfahrungen der zwei Jahre WASG mitnehmen. Es geht sozusagen um eine Dialektik von Kontinuität und Bruch. Als ersten Schritt sollten wir in der Zeit bis zum Landesparteitag am 10. Februar eine ausführliche und - in der Sache - rücksichtslose Diskussion führen, wie wir uns zum Fusionsprozeß stellen. Viele werden sich erst in dieser Zeit entscheiden. Dann brauchen wir nach dem 10. Februar eine Bilanz: eine Urabstimmung im Landesverband mit einer ehrlichen Fragestellung. Nicht mit einer verschämten Berufung auf die schönen Beschlüsse des Bundesparteitages, die sowieso nicht umgesetzt werden, sondern klar und deutlich: Wer die Fusion mit der real existierenden Berliner L.PDS will, der soll das so sagen. Danach werden wir wissen, wie die Kräfteverhältnisse im Landesverband sind. Wir werden wissen, mit wem wir für unserer Ziele einer ernst zu nehmenden Kraft der linken, der sozialen Opposition in Berlin arbeiten können. Dann werden wir uns über die Einzelheiten verständigen müssen, wie wir in der nächsten Zeit arbeiten wollen.

Und wenn wir einen wirklich handlungsfähigen Verein hinbekommen, dann können wir auch rechtzeitig vor den nächsten Berliner Wahlen entscheiden, ob und wie ein Wahlantritt politisch sinnvoll ist. Wie es technisch zu machen ist, wissen wir ja schon.

Berlin, 28.12.2006

Sebastian Gerhardt, Mary Killian, Roland Klautke, Michael Mäde, Susanne Rohland, Michael Schilwa, Rouzbeh Taheri, Rainer Wahls 

 

Letzte Aktualisierung ( 30.12.2006 ) * per 31.12.2006
brandherd - 14. Jan, 16:36

Ulrich Maurer: DIE LINKE. wird in Karlsruhe gegen Umgehung des Bundestages bei Tornado-Einsatz in Afghanistan klagen

Berlin (ots) - Zur Absicht der Bundesregierung, Tornado-Aufklärungsflugzeuge ohne neuerliche Bundestagsentscheidung nach Afghanistan zu entsenden, erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE. Ulrich Maurer: DIE ...
http://www.presseportal.de/story_rss.htx?nr=926271

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... nicht das letzte Überbleibsel aus "redaktionellen Online-Zeiten"!

Dann kam es zur kleine A- B- C- Demonstration, d. h. einem entsprechenden "Auftritt"

Eine große A - B - C - Stütze ist, mit Sympathie behaftet, weil es auch schon Einiges an kritischen Momente durchzumachen hatte:


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A B C -Tipp: Angebot ...
wega - 1. Sep, 21:33
Entsetzlich:
... KOPIE eines anschaulichen Textes zum schwierigen...
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Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland

Was wusste die Bundesregierung von den CIA-Verschleppungen über deutschem Boden? Haben deutsche Beamte erfolterte Aussagen bewusst genutzt?


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Eben sind Landes-und Bundesverfassungsschutzbericht für die Bundesrepublik erschienen. Diese Schützer bedrohen freilich öfter... Was sie verteidigen, ist nicht die Summe der Rechte jeder einzelnen Person, sondern ein Konstrukt namens FDGO = Freiheitlich demokratische Grundordnung. Sie hat die Eigenheit, dass sie - nach Meinung der Schützer - vor allem dadurch verletzt wird, dass man ein Grundrecht besonders exzessiv in Anspruch nimmt - zum Beispiel das auf Demonstration oder das auf Meinungsfreiheit. Gerade das selbstsüchtige Herumtrampeln auf dem eigenen Recht erschüttert den gebohnerten Boden der Verfassung besonders.

Ganz anders der Grundrechtereport. Er geht einfach den einzelnen Rechten nach, wie sie im Grundgesetz aufgezählt sind. Und seine Blickrichtung verläuft genau umgekehrt: sieht der Verfassungschutz den Menschen an sich in seinen Wünschen und Tätigkeiten als Störer unseres aufgeräumten Hauses Deutschland an, melden die Autoren des Grundrechtereports penibel, mit welchen Maßnahmen Gerichte, Polizei, Dienste,Gesetzgeber das kaputtmachen, was sie angeblich schützen wollen.

Der Grundrechtereport erscheint jetzt zum zehnten Mal - und wird herausgegeben u.a. von Mitgliedern der Humanistischen Union, der Gustav-Heinemann-Initiative, Pro Asyl, der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, der Internationalen Liga für Menschenrechte im Geiste von Carl von Ossietzky. Viele der hier angezeigten Verletzungen der Grundrechte werden den Lesern von stattweb und STATTZEITUNG bekannt vorkommen. Es frischt das Gedächtnis auf, in dem schmalen Taschenbuch versammelt zu sehen, worüber wir uns ein Jahr lang geärgert haben. Weniger verwundert! Gewohnheit gerbt Herzwand. Hauptsache, die Ärgernisse sind hier festgehalten- zur Wiedervorlage hoffentlich noch vor dem Jüngsten Gericht.

Einprägsam etwa der letzte Fall - ein Angriff auf Artikel 104 - ”die Freiheit der Person kann nur aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.” Tatort: die Hamburger Ausländerbehörde. Über den Bildschirm der Beamten flackert verheißungsvoll: “Wir buchen, sie fluchen-mit freundlicher Unterstützung des Reisebüros Never-Come-Back-Airlines.”. Der umdunkelte Humor dieser Behörde bewährt sich an einem potentiellen Schübling aus Guinea. Bedenklich betritt er den elektronisch gesicherten Büroraum, weist auf das noch laufende Verfahren hin, in welchem er vor Gericht Abschiebe-Aufschub begehrte- und wird gerade deshalb einen Stock höher geschickt: In eine Zelle des Landeskriminalamts, das -sehr praktisch- im selben Gebäude untergebracht ist. Von dort soll es -nach dem Willen des Sachbearbeiters - in den Abschiebeknast gehen. Dann weiter nach Guinea.

Nur,dass Amadou Biallo von einem Rechtsanwalt begleitet war. Und dem fiel an dem Vorgang etwas auf, was wir als fleißige Krimi-Gucker vielleicht schon vergessen haben. Da fehlt doch etwas : Der richterliche Strafbefehl. Die Ausländerbehörde nahm treuherzig an, sie gelte als Polizei. Und die dürfe doch festnehmen ”bei Gefahr im Verzug”- und “zur Verhinderung einer Straftat”. Die Straftat wäre dann das gesetzwidrige Verweilen im Gebiet der BRD.

Das Hamburger Polizeirecht scheint schlotterig zugeschnitten und erlaubt das alles. Nur -dass es ein spezielles Recht der Ausländerbehörde gibt, und wo besondere rechtliche Regelungen erlassen sind, kann nicht nonchalant auf die weitere- also die für die Polzei gültige - zurückgegriffen werden. - Also kam der abzuschiebende vorläufig frei.

Triumph des Rechts? Ja, eine Viertelstunde lang. Im letzten Satz berichtet Rolf Steinke von einer geplanten Justizreform in Hamburg. sie sieht eine “ausdrückliche Ermächtigung der Behörden zur vorläufigen Festnahme von Ausländern zwecks Sicherung der Abschiebehaft vor”- und das ohne richterliche vorherige Anordnung.

Der Gesetzgeber dichtet seine Behörden ab gegen vorlaute Richter. Bei Redaktionsschluss des Buchs war darüber noch nicht entschieden. Darin zeigt sich die Struktur sehr vieler Fälle des Buches. Die oberen Gerichte entscheiden oft liberaler als die unteren, diese wieder öfter gegen Polizeimaßnahmen. Polizei greift am häufigsten schöpferisch zu. Das Verfassungsgericht klopft immer mal wieder den Schilys und Becksteins und ihren Parlamenten auf die Finger, die gerade an Fallen und Fesseln gegen Einzelmenschen basteln. Wie ist das möglich? Sollte wirklich der Satz gelten: Lass nur die Gesetze walten, und du wirst dein Recht erhalten? Bessere, freiheitsdurstigere Menschen können die Richter der oberen Ränge wohl kaum sein, vor allem, weil sie normalerweise ja aus den unteren Gerichten hervorgehen, deren Praxis also jahrelang mitgetragen haben müssen.

Des Rätsels Lösung liegt wohl darin, dass die obersten Gerichte den Gesamtzusammenhang der Rechtsregulierung im Auge behalten müssen. Sie können nicht nur einem einzelnen Schulamt zuliebe oder der Polizeibehörde in Lüneburg die logische Konsistenz des Ganzen gefährden. Davon profitiert sehr oft der Wurm unten, an dem Polizei und Unterbehörden schon gnadenlos ziehen und zerren.

Ein weiteres Streitgebiet der Gerichte- und darauf geht das Buch ausführlich ein- sind innen- und außenpolitische Rücksichten der unabhängigen Richter, mehr noch solche des weisungsgebundenen Generalbundesanwalts. In diesem Licht schildert Paech, Völkerrechtler und MdB der Linkspartei, die Abweisung des Verlangens nach Schadensersatz der Angehörigen jener Verletzten und Getöteten bei der Brücke von Varvarin, die dem Luftangriff der NATO im Frühjahr 1999 zum Opfer fielen. Einzelpersonen haben demnach kein Klagerecht, nur Staaten untereinander. Ebenso lehnten alle angerufenen Gerichte die Verfolgung der Folterknechte von Abu Ghraib ab, wenn diese sich nach getaner Arbeit wieder in der BRD als GIs in Ramstein oder einem anderen amerikanischen Stützpunkt befinden. Begründung dieses Mal: die Gerichte der USA werden sicher die Taten und vor allem die Verantwortung der jeweiligen Vorgesetzten der Täter überprüfen. Zu solcher Begründung gehört Beharrlichkeit im Wegschauen. Aber- wie Larochefoucauld schon wusste: wir alle bringen genug Seelenstärke auf, die Leiden unseres Nächsten zu ertragen.

Der Kampf ums Recht kann immer nur Freischärlerkrieg sein, Guerillavorstoß. Die geringsten Widersprüche zwischen den Behörden ausnützen! Die notwendige Herstellung der Einheitlichkeit von Verwaltungsakten sich zu nutze machen! Den langen Atem behalten, um den Instanzenweg zu überstehen. Eckart Spoo in seinem Beitrag zur Überwachung der Zeitung “JUNGE WELT” zeigt einen wenig wahrgenommenen möglichen Trampelpfad von rechts nach links. Die rechtsgesinnte Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT hat beim Verfassungsgericht durchgeboxt, dass sie im Verfassungsschutzbericht nicht mehr genannt werden darf. Die Verfassungsrichter begründeten ihren Spruch so: die ”Pressefreiheit schütze vor Einflussnahme des Staates auf die mit Hilfe der Presse verbreiteten Informationen”. eine Veröffentlichung im Verfassungsschutzbericht sei eine “negativ belastende mittelbare Sanktion”.

Viele empörten sich damals und sahen im Urteil eine Begünstigung der Kameraden von rechts. Richtig, so Spoo, wäre es, ohne weiteren Gemütaufwand die notwendige Allgemeinheit des Spruchs auszunutzen und für sich ebenfalls Verschonung vor dem Bericht zu beanspruchen. Seine letzten Wochen in Freiheit verdankte Ossietzky einer von rechts und links gemeinsam durchgesetzten Amnestie gewisser politischer Meinungs-Delikte. Hätte Ossietzky sich in der Zelle festkrallen sollen, nur weil auch ein Goebbels davon profitierte?

Allgemeine Gerechtigkeit, was immer das wäre, kann der Rechtskampf nicht herstellen. Aber immerhin Marscherleichterungen, kurzfristige Verbesserung der Bedingungen des politischen Zusammenschlusses. Dafür enthält dieses kleine Buch die nützlichsten Tipps.

RezensentIn: Fritz Güde

Erschienen bei Fischer Taschenbuch Verlag 2006, 9,95 Euro. Sie können dieses Buch bei Amazon bestellen.


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Jean-Claude Paye:
Das Ende des Rechtsstaats
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Eine fundierte Analyse jüngerer repressiver Entwicklungen auf einzelstaatlicher, europäischer, US-amerikanischer und internationaler Ebene



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~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Hinweise zum Internetrecht und daraus ableitbaren Zusammenhängen Domainrecht Urheberrecht Onlineauktionen Datenschutz Strafrecht und, nicht zuletzt:Urteile (welche von hier aus nicht noch mehr werden sollen) ZU SCHWERPUNKT-PROBLEM-SITUATIONEN Subject:HARTZ IV im Donaukurier www.donaukurier.de ~~~~~~~~~~~~~~

Was wichtig sein kann!

Wie umgehen mit ungebetenem Hausbesuch vom Amt E-Mail
05.10.2006
sozialschnuefflerHausbesuche
… auch gegen ungebetene Hausbesuche, kann man sich wehren.

Aus gegebenen Anlass stellen wir nochmals wichtige Hinweise dazu zur Verfügung. Selbst dem SPIEGEL war es auf dem Höhepunkt der "Clement'chen Missbrauchsdebatte" wert, uns in seiner Ausgabe 43/2005 zu erwähnen. .." Mitarbeiter des Arbeitsamtes hegen den Verdacht auf Leistungsmissbrauch und haben sich zu einem Kontrollbesuch angemeldet? Nicht lange "rumfackeln“, rät das „Erwerbslosen Forum Deutschland“, eine stark frequentierte Ratgeberseite im Internet:

Erst einmal seien die Amtsleute „zu ihren Personalien zu befragen“ und auf die Strafgesetzbuchparagrafen zu „Hausfriedensbruch, Nötigung, falsche Verdächtigung“ hinzuweisen. Drohe der Behördenvertreter daraufhin mit Leistungskürzung, solle man schwerere Geschütze auffahren: „Dann wird sofort und dringend die Polizei gerufen“ und „Strafanzeige gegen jedes der Ämter persönlich erstattet“. Auch gegen lästige Kontrollanrufe kann man sich mit Hilfe aus dem Internet zur Wehr setzen. Das Erwerbslosenforum bietet fertige Anträge auf Löschung sämtlicher Telefonnummern und E-Mail-Adressen. Lediglich der eigene Name samt Kundennummer sowie die Adresse der zuständigen Arbeitsagentur sind noch per Hand einzutragen". ...(SPIEGEL 43/2005 S. 42).

Hausbesuche

… auch gegen ungebetene Hausbesuche, kann man sich wehren.

Für die Besuche – welche vom Amt durchgeführt werden - muss ein zu begründender Verdacht auf Leistungsmissbrauch vorliegen.

Die Ämter könnten zwar zum Hilfeempfänger kommen, jedoch nur nach vorheriger Terminabsprache bei Beantragungen von Sachleistungen - aber - wenn das Amt einfach so kommt, sofort ablehnen, um erneuten Termin bitten, mit dem Hinweis, dass man Beistände hinzuziehen will, was nach § 13 SGB X erlaubt ist und von den Ämtern geduldet werden müssen, oder den Einlass bzw. den Besuch von Beginn an ablehnen.

Wenn das Amt nach Termin kommt, sind in der Wohnung dann drei-vier sachkundige Personen mit anwesend, die die Ämter sofort zu ihren Personalien befragen (Name, Vorname, Dienststelle, Dienstrang) und diese notieren und dann dazu intensiv und ohne großes Rumgefackel befragen, welche belegbaren Verdachtsmomente sie gegen den/die Leistungsbezieherin haben und die sofortige (!) Vorlage dieser Belege an Ort und Stelle verlangen.

Stellt sich heraus - was sich meistens herausstellt - dass gar kein Verdacht vorliegt, weil eh keine Beweise dafür da sind und man also einfach mal so gucken (also schikanieren) wollte, ist das

- Hausfriedensbruch (§ 123 Strafgesetzbuch - StGB)
- Nötigung (§ 240 StGB)
- falsche Verdächtigung (§ 164 StGB

und wenn die Ämter dem/die Leistungsbezieherin gegenüber sogar damit gedroht haben, Leistungen einzustellen, wenn man sie nicht in die Wohnung / ins Haus ließe, dann kommt noch

- Bedrohung (§ 241 StGB) hinzu, mal von
- Rechtsbeugung im Amt (§ 339 StGB) bzw. Beihilfe (§ 27 StGB) dazu ganz abgesehen.

Dann wird sofort und dringend die Polizei gerufen wegen Hausfriedensbruchs (am Telefon nicht groß rumquatschen, sondern nur sagen, dass hier Hausfriedensbruch stattfindet und bitte (!) sofort jemand kommen soll), die Ämter werden von der Polizei der Wohnung/des Hauses verwiesen und es wird sofort Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs, falscher Verdächtigung, Nötigung, Bedrohung, Rechtsbeugung im Amt und ggf. Beihilfe dazu gegen jeden der Ämter persönlich erstattet.

Dies Procedere deshalb, damit das illegale Vorgehen der Ämter amtlich aktenkundig wird - wodurch dann keinerlei weitere Repressalien gegen den/die wehrhaften Betroffenen erfolgen werden, und wenn doch, dann hilft sofort eine Einstweilige Verfügung mit Eilantrag beim zuständigen Verwaltungsgericht. Das Verwaltungsgericht kann aufgrund des somit aktenkundigen Tatbestandes des Hausfriedensbruchs, der Nötigung, falschen Verdächtigung und der Bedrohung sowie der Rechtsbeugung im Amt gar nichts anderes machen als dem Antrag auf Einstweiligen Verfügung statt zu geben.

Urteile:

Landessozialgericht Halle - Beschluss vom 22. April 2005, Az. L 2 B 9/05 AS ER :
Das Gericht meint, dass der Besuch des Außendienstes kaum geeignet sei, entscheidungserhebliche Tatsachen für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft zu ermitteln, da die Intimsphäre zur Klärung dieser Frage nicht ausgeforscht werden dürfe. Die Ablehnung des Hausbesuchs sei durch die grundgesetzlich geschützte Unverletzlichkeit der Wohnung gedeckt (Artikel 13 GG).

Landessozialgericht Halle - Beschluss vom 22. April 2005, Az. L 2 B 9/05 AS ER :
Das Gericht meint, dass der Besuch des Außendienstes kaum geeignet sei, entscheidungserhebliche Tatsachen für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft zu ermitteln, da die Intimsphäre zur Klärung dieser Frage nicht ausgeforscht werden dürfe. Die Ablehnung des Hausbesuchs sei durch die grundgesetzlich geschützte Unverletzlichkeit der Wohnung gedeckt (Artikel 13 GG).

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Stand: 15.04.2005 Herausgeber:
Prof. Dr. Maximilian Herberger Home
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E-Mail an dessen Redaktion: mail@jurpc.de
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Aktuelles aus dem Inhalt:

Thomas Gramespacher: Webdesign und Gestaltungshöhe?
– Zur Anwendung von § 2 Abs. 1 Ziff. 4 UrhG auf in Webseiten
eingebundene digitale Grafiken und Bilder
Der Autor kritisiert die Entscheidung des OLG Hamm
- 4 U 51/04 -, da das Gericht sich nicht die Mühe gemacht
habe, Kriterien für die Bestimmung der Schöpfungshöhe bei
in Webseiten eingebundenen Grafiken und Bildern festzulegen.

Wolfgang Kuntz: Buchvorstellung Marly, Softwareüberlassungs-
verträge
Mit Recht hat sich "der Marly" als Standardwerk im Bereich
der Softwareverträge etabliert. Rechtsanwender finden auf
nahezu alle Fragen im Bereich der Softwareverträge
zufriedenstellende Antworten.

BGH: Literaturhaus
Wer auf eine Anfrage, einen Internet-Auftritt unter einem
bestimmten Domain-Namen zu erstellen, diesen für sich
registrieren lässt, kann unter dem Gesichtspunkt einer gezielten
Behinderung eines Mitbewerbers nach § 4 Nr. 10 UWG und
eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zur Unterlassung
der Verwendung der Domain-Namen und zur Einwilligung in die
Löschung der Registrierungen verpflichtet sein.

(Die Inhaberin einer berühmten Marke hat gegenüber einem
gleichnamigen Privatmann einen Anspruch auf Übertragung
der aus der Marke bzw. dem gleichlautenden Nachnamen
bestehenden Domain, dürfte hier für ableitbare Fälle gleichzeitig
den Verallgemeinerungsfall auf unser spezielles FORUM:
http://67693.rapidforum.com/ - beispielsweise - ausschließen!

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