Faktische Regelsatzsenkung angekündigt
Bundesregierung will 345 Euro-ALG II ohne Inflationsausgleich und Steueranpaßung
Von Cecilia Frank
Erwartete 4,5 Milliarden Euro Gewinn wird die Bundesagentur für Arbeit (BA) in diesem Jahr wohl verdienen. Verschärfungen für Hartz-Betroffene stehen dennoch weiter zur Diskussion. Zudem kündigte die Bundesregierung aktuell an, die Regelleistung von 345 Euro nicht anheben zu wollen.
Dabei verwies die Koalition am Mittwoch im Bundestags-Ausschuß Arbeit und Soziales auf die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes. Zwar war die Aussage keine Entscheidung, sondern eine "Empfehlung" an die Länder, die Kosten für den "notwendigen Lebensunterhalt" in den kommenden fünf Jahren entsprechend anzusetzen, doch werden sie wohl kaum höher ausfallen.
Widerspruch gegen den Vorschlag kam dabei von der Linksfraktion, deren Ausschußmitglied, Elke Reinke, sah zumindest einen Erfolg der Sozialproteste, daß keine Kürzung der Regelleistung angekündigt wurde. Allerdings berücksichtige die EVS weder die Praxisgebühr, noch beziehe sie einen Inflationsausgleich ein. Auch auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent werde keine Rücksicht genommen. Die Links forderte dagegen eine Anhebung von ALG II und Sozialgeld auf mindestens 420 Euro.
Für Widerspruch sorgte auch die diskutierte Streichung der Zuschläge beim Arbeitslosengeld II. So übte etwa der Paritätische Wohlfahrtsverband scharfe Kritik. "Die Belastungsgrenze gerade der einkommensschwachen Menschen ist vielfach überschritten. Wer den Gürtel der Ärmsten einseitig immer noch ein Stück enger schnallen will, der hat den Blick für die sozialen Realitäten in unserem Land schon verloren", so DPWV Hauptgeschäftsführer Dr. Ulrich Schneider. Bei 50 Bewerbern auf eine offe Stelle könne man nicht von Fehlanreizen bei den befristeten Zuschlägen sprechen. Der Chef des Erwerbslosen Forum Deutschland, Martin Behrsing, sprach von "hemmungslosen Sozialkahlschlägern".
Der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Ralf Brauksiepe hat dagegen die geplanten Überwachungsmaßnahmen von ALG II-Betroffenen verteidigt. Im Chat der "Tagesschau" sagte er, es sei eine "pure Selbstverständlichkeit", mit dem Geld "das von denjenigen erwirtschaftet wird, die täglich ihrer Arbeit nachgehen", sorgfältig umzugehen.
Wie sorgfältig dieser Umgang ist, dürften viele Betroffenen voraussichtlich ab Juli auf einem weiteren Feld bemerken. Bislang zahlt die BA die Miet- und Heizkostenzuschüsse aus, holt sich das Geld später von den dafür zuständigen Kommunen wieder. Da diese jedoch säumig zahlen und Außenstände in Höhe von 220 Millionen Euro aufgelaufene seien, kündigte die Anstalt ein Stop der Vorleistungen an. Die Grünen warfen der Behörde dabei vor, den Streit auf dem Rücken der Langzeitarbeitslosen auszutragen und diese praktisch in Geiselhaft zu nehmen.