Nachdem am Sonntag der deutschsprachige Teil der Menschheit a) sich mit Formel I beschäftigt oder b) dem Bayernfeiern gewidmet, und falls keins von beiden, dann c) sich im Basler Kunstmuseum gestapelt hat, ist ja wohl keiner dazu gekommen, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung zu lesen.
Was mir die schöne Gelegenheit verschafft, hier schamlos ihren Web-Link der Woche auszuwalzen, ohne so unoriginell zu wirken, wie es tatsächlich ist:
Bei der coolen Illusion geht es darum, dass man vor grauem Hintergrund ein schwarzes Pluszeichen mit einem Umkreis von 12 telekommunikationskonzernfarbigen Punkten sieht. Einer der Punkte wird jeweils unsichtbar, so dass es nach einer Uhrenbewegung aussieht.
Starrt man dann genau auf das Plus, wird der eigentlich verschwundene Punkt plötzlich hellgrün und läuft im Uhrzeigersinn. Schaut man noch ca. 10 Sek. weiter auf das Pluszeichen, lässt der an sich nicht existierende grüne Punkt die 11 grauen verschwinden und dann wieder auftauchen.
Das Frappante an der Geschichte: Es ist keine Animation, sondern eine platte Grafik, die gekonnt das Hirn irritiert und auch als Farbausdruck funktionieren würde. Kann man daran merken, wenn man zwischendrin die Augen schließt oder reibt (für Letzteres haben körperbewusste Menschen, die superteure Selbsterfahrungsseminare besuchen, übrigens ein Fachwort: Palmieren) - es geht dann wieder von vorn los.
Wie mir ist:
Kleine Zwangshandlungen sind das Schlechteste nicht. Zum Beispiel die, den Fernseher immer nur auf 1, ARD, auszuschalten; Sonntag abend. Der Tatort vorbei, noch schnell mal rüber nach 5 auf den Videotext von ORF, wo immer die ein oder andere Rosine zu finden ist, diesmal allerdings nicht, also wieder zurück zur 1, um auszuschalten.
Eigentlich. Denn da sitzt doch glatt Harald Schmidt in der Christiansen-Runde, die neben der Gastgeberin aus den Herren Gerhardt, Wowereit, Adorf und Mehdorn besteht. Thema: Die Lage der Nation. Nation in dem Fall Deutschland, und ob es hier prima ist oder nicht.
Ich hätte gestern auf prima plädiert. Schon mal aus dem japanischen Ansatz heraus: Deutschland, das ist grüne Wälder, Beethoven, Schumann, Fachwerk und Schlösser (nur bitte ohne Neuschwanstein).
Schwetzingen bei Mannheim zum Beispiel, das schnucklige Sommerschloss von Kurfürst Karl Theodor, der schon mal sympathisch daherkommt, weil er in über 50 Jahren Regentschaft nicht einen Krieg geführt (sein royaler Kollege Friedrich II von Preußen hat ihn deswegen immer abfällig als 'pfälzisches Glücksschwein' bezeichnet) und lieber in Musik (seine Musiker waren die europaweit bestbezahlten ihrer Zeit) und Wetterbeobachtung (er war praktisch Erfinder der täglichen Meteo-Aufzeichnungen) investiert hat. Nach ihm ist übrigens der Karlsplatz in München benannt, den sie aber Stacchus nennen, weil Karl Theodor nie einen Hehl draus gemacht hat, dass er das von ihm geerbte Bayern eigentlich lieber nicht regieren und an Österreich abgeben wollte.
Für Schwetzingen gibt es zwei Autobahnabfahrten, trotzdem ist es möglich, die zu verpassen. Von Norden her landet man dann am Dreieck Hockenheim. Dort gibt's die Abzweigung Richtung Speyer, von der aus in der Entfernung 2 Türme zu sehen sind. Klingt nach Herr der Ringe, ist aber, wie der Autoatlas verrät, der Kaiserdom. Mal vorbeischauen kann nicht schaden.
Und das entpuppt sich als die Idee des Tages: An einem Samstagspätnachmittag, wenn die Sonne schon ein bisschen abblendet, verschlafene Italianità in der Luft hängt und kaum Leute unterwegs sind, hat dieser Dom, an die 1000 Jahre alt, eine Ausstrahlung, die man wahrscheinlich mystisch nennt. Vielleicht auch märchenhaft. Dazu passt, dass über dem Chor-Raum eine gigantische Krone hängt, die auch gut im Thronsaal von König Artus vorstellbar wäre.
Also, um die Schwärmerei in einen Satz zu gießen: Sich verfahren und dann mal eben bei der größten romanischen Kirche der Welt aufschlagen, das ist Deutschland.
Kann es jedenfalls sein, wenn es einen guten Tag hat.
Hässliche Gegenbeispiele gibt's, wie der Stau bei der Heimfahrt beweist, natürlich genug. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.